Die christlichen Kirchen verändern sich, Gott sei Dank!

  1. Reform des 16. Jahrhunderts
    Es ist heute auch in der Röm.-Kath. Kirche unbestritten, dass die damalige Kirche in einem desolaten Zustand war. Das betraf sowohl Teile der Kirchenführung mit Bischöfen und Päpsten als auch die Gemeinden vor Ort. Es ist Menschen wie Martin Luther und anderen zu verdanken, dass die Kirche an die eigene Berufung erinnert wurde, die Liebe Gottes in der Heilstat Jesu Christi zu verkünden. Diese Reform war vielfach überzeugend und fasste auch in weiten Teilen Frankens, der Oberpfalz und auch in Teilen Altbayerns Fuß. Leider setzte sich diese Reform nicht gänzlich durch und so entstand in Deutschland eine zersplitterte konfessionelle Situation.
  2. Kirchenspaltung
    Mit dem Scheitern des Reichstags in Augsburg 1530 scheitert der letzte Versuch zur Einigung der evangelischen Stände mit Kaiser Karl V. Damit war die Kirchenspaltung endgültig. Sie war von evangelischer Seite nicht beabsichtigt, aber letztlich doch notwendig, um die reformatorischen Gedanken zu retten. Vertieft wurde die Kirchenspaltung besonders ab 1580, als die sogenannte Gegenreformation mit militärischen und politischen Mitteln versuchte, die Einheit unter Leitung der Röm.-Kath. Kirche wieder herzustellen. Der tragische Schlusspunkt der Entwicklung war der Dreißigjährige Krieg, der von einem Konfessionskampf zu einem Vernichtungskrieg jeder gegen jeden führte. Diese Kirchenspaltung hielt bis zum Ende des 1. Weltkrieges. Sie beinhaltete eine starke konfessionelle Abgrenzung auch von evangelischer Seite. Erst die Katastrophe des 1. Weltkrieges führte viele christliche Kirchen in der Welt näher zusammen. So wurden z.B. der Lutherische Weltbund und der Weltkirchenrat gegründet.
  3. Ökumenische Zusammenarbeit
    Heute stellen sich ganz andere Fragen. Nicht mehr die Abgrenzung kann im Vordergrund stehen, sondern der Wille zu einem gemeinsamen Auftreten aller Christen gegenüber anderen Weltanschauungen und Religionen. Dabei geht es weniger um Konfessions- und Bekenntnisfragen, als vielmehr um eine gelebte Glaubenspraxis, die den modernen Menschen überzeugt und ihm Auswege aus Nationalismus, Individualismus und Friedensunfähigkeit zeigt. Wir bewegen uns damit auf dem Boden der Botschaft von Jesus Christus, der nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche fordert, sondern den Glauben und das Bekenntnis zu ihm und seiner Botschaft. Ein großer Schritt der Überwindung der teilweise feindseligen Geschichte der Kirchen war die Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung“ im Jahr 1999 in Augsburg. Dort wird erklärt: „Der Mensch ist im Blick auf sein Heil völlig auf die rechtfertigende Gnade Gottes angewiesen.“ 
    Heute ist es selbstverständlich, dass ökumenische Hochzeiten und viele Formen ökumenischer Gottesdienste den christlichen Alltag prägen.
  4. Organisatorische Einheit oder versöhnte Verschiedenheit
    Die Vielfalt der Richtungen und Strömungen innerhalb der kath. Kirche und die Vielfalt der reformatorischen Kirchen lässt den Wunsch nach einer organisatorischen Einheit als nicht realistisch erscheinen. Die sichtbare Einheit war auch in biblischer Zeit niemals gegeben. Die Vielfalt der Glaubenserfahrungen und der kulturellen Prägungen war schon damals gegeben. Andererseits aber ist die Zugehörigkeit zur „unsichtbaren Kirche Jesu Christi“ Kriterium allen Christseins. Dabei gilt der Glaubenssatz, „Wer da glaubt und getauft ist, der wird selig werden“ als Grundlage dieser Einheit. Die verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften sind deshalb daran zu prüfen, ob sie einladend und werbend diese Aufgabe erfüllen. Das ist auch aktuell an der Kirchenstruktur und kirchlichen Praxis unserer evangelischen Kirche kritisch zu hinterfragen. 88 Thesen aus neun Kirchengemeinden unseres Dekanats haben wichtige Anregungen zur Schwerpunktsetzung des Auftrags und der Gestalt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern gegeben. Diese Thesen sind in voller Länge nachzulesen und sollen zur weiteren Diskussion anregen. Mir besonders wichtig erscheinende Anregungen werden auf der Seite „Der Dekan hat das Wort“ (siehe S. 59) abgedruckt.
    Die Mitgliedschaft und die Zugehörigkeit zu einer Konfession werden auch weiterhin notwendig und von Bedeutung sein, da damit ein bestimmtes Glaubensverständnis sichtbar wird. Andererseits darf dies nie zu einem Absolutheitsanspruch führen und damit anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften den Glauben absprechen. Es geht vielmehr um einen Wettbewerb, wie die biblische Botschaft von Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist in dieser Welt zeitgemäß und glaubwürdig gelebt und verkündigt wird. Auch deshalb feiern wir am 31. Oktober in Ebermannstadt ein ökumenisches Kirchenvolksfest und laden schon jetzt alle Christinnen und Christen dazu ein.

Dekan Günther Werner