88 Thesen zur Reformation heute

Neun Kirchengemeinden des Dekanats Forchheim haben wichtige Anregungen zur Schwerpunktsetzung des Auftrags und der Gestalt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern gegeben:
  1. Die Ortskirchengemeinden müssen gestärkt werden, da in ihnen die wesentliche Mitgliederbindung geschieht.
  2. Kirche muss nah vor Ort sein.
  3. Kirchengemeinden in den Ballungszentren dürfen nicht bevorzugt und gegen die Kirchengemeinden auf dem Land ausgespielt werden.
  4. Die Kirche ist kein Wirtschaftsunternehmen. Die Betriebswirtschaft darf keinen Vorrang in allen Bereichen gewinnen. Vorrang hat allein die Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi.
  5. In der Kirche herrscht zu viel Bürokratie und Verwaltung und behindert das Eigentliche von Kirche, anstatt es zu fördern.
  6. Die Kirche muss deutliche Worte gegen den globalen Kapitalismus finden. Dieses immer höher, immer besser, immer mehr verstößt fundamental gegen christliche Werte. In diesem Rahmen ist auch die Höhe der Gehälter von Managern in der Großindustrie zu kritisieren.
  7. Ich wünsche mir, dass wir mehr über den Glauben und weniger über das Wetter reden. Also zum Beispiel beim Essen, beim Gemeindefest.
  8. Schön, dass man sich wohl fühlen kann in St. Johannis. Viele liebe engagierte Menschen und Mitarbeiter.
  9. Gottesdienst mit klassischen Kirchenliedern gestalten.
  10. Ich wünsche mir mehr Betonung des persönlichen Glaubens. Manchmal nehmen mir gesellschaftliche Themen (Gender, Flüchtlingspolitik, Umweltschutz) zu viel Raum ein. Mir liegen diese Themen sehr am Herzen, aber noch wichtiger finde ich den Einzelnen und seine Beziehung zu Jesus! Ich denke, nicht die Kirche etc. steht im Mittelpunkt, sondern Jesus.
  11. Wieder einen evangelischen Feiertag einführen, z. B. den Buß- und Bettag!
  12. Gemeinsames Abendmahl
  13. Nichts, ich will die Kirche so, wie sie ist (ein 87jährige)
  14. Die Konfessionen müssen endlich Abendmahlsgemeinschaft feiern!!! Ansonsten mögen sie ihre Traditionen beibehalten und in versöhnter Verschiedenheit an Christus „hangen“.
  15. Verpflichtet euch in den Kirchen zu mehr Gemeinsamkeit und setzt diese auch um! Mehr moderne Kirchenmusik
  16. Predigten, die die Leute auch verstehen und die mit ihrem Leben etwas zu tun haben.
  17. Nicht die Kirche muss sich erneuern, sondern der Mensch im täglichen Umfeld, z. B. durch Wahrnehmung des Nächsten, Achtsamkeit, Nächstenliebe üben, Gemeinschaft
  18. Kirche muss sich öfters und intensiver in politische und gesellschaftliche Fragen einmischen; der Buß- und Bettag muss wieder eingefordert werden als Feiertag.
  19. Mehr Gerechtigkeit statt Almosen für die Armen.
  20. Beim Hl. Abendmahl sollte die Gemeinde erst vor den Einsetzungsworten zum Stehen aufgefordert werden.
  21. Die Gemeinschaft außerhalb des Gottesdienstes sollte stärker sein.
  22. Alle 2 Monate ein Samstagabendgottesdienst für Leute, die lieber ausschlafen als am Sonntag den Gottesdienst am Vormittag zu besuchen.
  23. Wir haben uns überlegt, alle 4 Wochen (Samstag) einen Abendgottesdienst zu gestalten.
  24. Lebendige Gottesdienste für Jung und Alt mit zeitgemäßen Liedern.
  25. Den Klingelbeutel weglassen. Das Abendmahl nur von Pfarrern (Pfarrerinnen) austeilen.
  26. Die Kirche ist immer altmodischer und weiter weg von der Jugend, die sich kaum für den Glauben interessieren kann, da er ihnen oft unzureichend und auf altmodische langweilige Weise nähergebracht wird. Darum sollte die Kirche moderner, alltags- und realitätsnäher werden, um wieder die normalen Menschen zu bewegen und deren Interesse zu wecken. Das Interesse ist prinzipiell da, aber aufgrund der Darstellung und Präsentation wirkt „Kirche“ für die Jungen schlicht uninteressant. Allein aus Eigennutz sollte sich die Kirche um die jungen Leute kümmern, da sonst in Zukunft die Kirchen leer sein werden. Sic omnia nimia in contracia fere convertuntur!
  27. Beim Abendmahl Rotwein anstelle von Weißwein, da ja Blut auch rot ist. Dankeschön
  28. Blumen im Gottesdienst
  29. Aktive Einbindung und Beteiligungsmöglichkeit der Kirchenbesucher
  30. Der Gottesdienst muss so weiterentwickelt werden, dass auch Menschen unter 50 Jahren sich in ihm heimisch fühlen können.
  31. Segnet! „Segnen heißt die Hand auf etwas legen und sagen: du gehörst trotz allem Gott.“(Dietrich Bonhoeffer)
    Vielen Dingen stehen wir als Zuschauer gegenüber, machtlos -! Doch wir müssen nicht tatenlos sein. In Glück und Leid haben wir Gottes Segen empfangen, bewusst und unbewusst! Daher ist es Aufgabe eines Christen, den Segen über Möglichem und Unmöglichem auszusprechen. Bei der Begegnung mit Menschen, dem Beginn der täglichen Arbeit, beim Betreten eines Hauses( Lukas 10,5 )…
  32. Freiheit ist Glaubensmerkmal. Es gibt sie nicht ohne Bindung und Verantwortung. Freiheit vollzieht sich in der freien Glaubensentscheidung eines Menschen und seiner Bindung an Jesus Christus und sein Wort sowie im Leben mit all seinen Herausforderungen. Daher bedeutet sie keine Beliebigkeit im Leben eines Christen, sondern verantwortliche Bindung: Christen leben mitten in der Welt, durch Jesus Christus vom Bösen und zur Liebe befreit. Zur Freiheit befreit(Gal) hießt: Gebunden an Jesus Christus, verbunden zur Jüngergemeinschaft am Leibe Christi ist uns seine Gnade wegweisend im Leben füreinander und miteinander, und wir hoffen durch die Auferstehung Jesu auf die vollendete Freiheit in Ewigkeit.
  33. Aktive Sterbehilfe und Schwangerschaftsabbruch stehen im Widerspruch zum christlichen Glauben, nach dem uns im Leben nicht mehr als wir tragen können auferlegt ist. In den Grenzsituationen des Lebens sind die Jünger Jesu - ausgerüstet mit seinem Heiligen Geist - gerufen, füreinander da zu sein mit allen Möglichkeiten, die die Liebe des menschenfreundlichen Gottes uns gibt.
  34. Es gibt nur einen Jesus Christus. Es gibt nur einen Leib Christi. Es gibt nur eine Kirche. Diese wird sichtbar in unterschiedlichen Traditionen, Ausprägungen und Aufbrüchen. Kirchliche Gemeinschaften bestreiten einander nicht die Rechtgläubigkeit sondern respektieren die anderen. Zum Leib Christi gehören die messianischen Juden selbstverständlich dazu.
  35. Die Bibel ist das Wort Gottes und somit Maßstab für unser Leben, Gott gibt uns Sein Wort, um uns zu segnen. Deshalb kann der Psalmist sagen: „Das Gesetz des HERRN ist vollkommen und erquickt die Seele. Das Zeugnis des HERRN ist gewiss und macht die Unverständigen weise. Die Befehle des HEERN sind richtig und erfreuen das Herz. Die Gebote des HERRN sind lauter und erleuchten die Augen“ (Psalm 19, 8-9). Jeder Versuch, dieses vollkommene Gesetz des Herrn für unsere Zeit passend zu machen, indem man etwas hinzufügt oder wegnimmt, läuft ins Leere. Denn Jesus sagt: „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen“ (Matthäus 24,35). Möge die Christenheit von heute Luthers Aufruf beherzigen: „Das Wort sie sollen lassen stahn“! (Zitat aus Die Arche Gemeinde Hamburg)
  36. Christen wissen, dass sie in ihrem Handeln gegenüber den Nächsten und der Umwelt nicht alles richtig machen können, mit ihrem Vertrauen auf die Gnade Gottes werden sie nicht müde, den besten Weg zu suchen.
  37. Die Gnade Gottes ist ein Geschenk an uns und muss/kann von uns weder erkauft noch erarbeitet werden; daher möchten wir auch in unserer Gemeinde eine klarere Trennung wie bisher von Abendmahl und Spendenpraxis erreichen.
  38. Nutze deinen Verstand auch in gemeindlichen Dingen um vermeintliche Tatsachen und Traditionen kritisch zu hinterfragen
  39. Kirche sollte für die Menschen da sein. (offene Türen, Kirche ohne Eintritt.)
  40. Kirche sollte neugierig sein und neugierig machen.
  41. Kirche sollte Antworten geben (können)/die Sprache der Menschen sprechen.
  42. Sei mutig, ehrlich zu dir und zu anderen zu sein!
  43. Die Menschen, die eine Kirchengemeinde bilden, sind wichtiger als die äußerliche Struktur der Kirche mit Finanzen, Gebäuden und Kirchensteuermitteln.
  44. Die Menschen, die zur Kirche kommen, müssen interessiert, akzeptierend und einladend auf die Menschen, die nicht zur Kirche kommen, zugehen.
  45. Christen sollen achtsam und wertschätzend mit anderen Menschen, aber auch mit Tieren und Pflanzen umgehen.
  46. Christen sollen ein Beispiel sein für einen sorgsamen Umgang mit der Umwelt.
  47. Christen sorgen dafür, dass die Vielfalt von Gottes Schöpfung erhalten bleibt.
  48. Christen sollen beim Einkauf auf Gerechtigkeit und artgerechte Haltung achten und nicht nur auf den Preis schauen.
  49. Christen gehen achtsam mit Tieren um, sie müssen keine Vegetarier sein – bei Jesus gab es auch Fisch, aber es muss nicht jeden Tag Fleisch auf den Teller kommen
  50. Die Kirche und die Christen in Deutschland müssen Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind, zur Seite stehen und zumindest vorübergehend helfen.
  51. Christen helfen anderen Menschen, wenn sie in hilfsbedürftige Situationen geraten z. B. Flüchtlingen, Menschen in der Dritten Welt, aber auch Menschen wie du und ich - bei Bedarf ein offenes Ohr haben, durch finanzielle Mittel oder aktiven Einsatz unterstützen.
  52. Und hier noch eine persönliche These zur Diskussion sie ist in den Kirchengemeinden sehr umstritten: Biblisch gesehen kann es keine gleichgeschlechtliche Ehe geben.
  53. Christen unterschiedlicher Konfessionen sollen in der Gestaltung ihrer Beziehung von der Perspektive der Einheit und nicht von der Perspektive der Spaltung ausgehen, um das zu stärken, was sie gemeinsam haben.
  54. Im Prozess ethischer Meinungsbildung weiß sich die Kirche verpflichtet, den Blick für solche Geisteshaltungen, Strukturen und Entwicklungen zu schärfen, die der im christlichen Menschenbild begründeten Würde des Menschen entgegenstehen.
  55. In der Begegnung mit anderen Religionen und Weltanschauungen mag die Kirche Zeichen zugewandter als auch kritischer Toleranz setzen.
  56. Die Kirchen werden in ihrem Zeugnis alle Formen von Machtmissbrauch und Gewalt ablehnen, weil diese der Frohen Botschaft der Liebe Gottes widersprechen.
  57. Die Kirchen treten für die Bewahrung der Schöpfung als von Gott dem Menschen anvertrautes Gut ein.
  58. Eine offene Kirche, in der gesungen wird
  59. Eine Kirche, die fromm ist und politisch
  60. Wiederentdeckung der „Seelsorge“
  61. Eine Kirche für die Außenseiter
  62. Eine Kirche für die Jugend
  63. Die Kirche soll wie eine Familie sein
  64. Unsere Kirche ist viel zu statisch!!!
  65. Wir brauchen mehr Dynamik!
  66. Pfarrer und Kirchenvorstand müssen vorangehen!!
  67. Und wo bleibt die Gemeinde?
  68. Eine gute Mischung von bekannten (beliebten) und weniger bekannten Liedern im Gottesdienst
  69. Eine Kirche für Kinder
  70. Abkehr vom „Volkstumsprotestantismus“
  71. Eine Kirche, deren oberster Hirte auch auf dem Tempelberg nicht das Kreuz ablegt!
  72. Als Kirche der Reformation vertrauen wir auf Gottes Gerechtigkeit, in der er uns annimmt, befreit und ermächtigt, uns für ein Leben in gerechten Verhältnissen einzusetzen.
  73. Als Kirche der Reformation müssen wir uns zuerst selbst von Jesu Person und Botschaft her hinterfragen und erneuern lassen. Kirche der Reformation ist immer eine stets neu zu reformierende Kirche.
  74. Die notwendige Reformation der Kirche geht in die falsche Richtung, wenn sie in erster Linie um ihre Selbsterhaltung besorgt ist.
  75. Wir erkennen diese falsche Ausrichtung in den Reformideen der EKD, die in den Landeskirchen zentralistisch umgesetzt werden durch:
    • die finanzielle Schwächung der Ortsgemeinden trotz steigender Kirchensteuereinnahmen
    • die Streichung und Reduzierung von Pfarrstellen
    • die Fusionierung von Gemeinden zu anonymen Pfarrverbänden
    • den Aufbau von zentralen „Service-Stellen“
    • die Ausweitung von Verwaltungsbehörden mit immer größerer Kontrollfunktion
    • die zunehmende Hierarchisierung kirchlicher Ämter
    • die Durchsetzung eines verfehlten, unevangelischen Kirchenverständnisses, das Gemeinden nur noch als „Filialen“ einer sie dirigierenden Großorganisation versteht.
  76. Solche Maßnahmen verfehlen den Auftrag der Kirche, Freiheit, Gleichheit und Solidarität als Gemeinschaft der Glaubenden zu realisieren und in der Gesellschaft für ein Leben in gerechten Verhältnissen und Beziehungen einzutreten.
  77. Wir fordern die leitenden Organe unserer Kirche auf, sich neu auf ihren Auftrag zu besinnen und die Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit der Gemeinden zu stärken, damit sie diesen Auftrag in ihrem Umfeld verwirklichen können.
  78. Die Gemeinden und Mitarbeitenden der Kirche fordern wir auf, sich zu verbünden, den falschen Reformbemühungen Widerstand entgegenzusetzen und ihre Kirchenleitung im Sinne des Auftrags der Kirche in die Pflicht zu nehmen.
  79. Das eigene Profil schärfen: Mehr Präsenz in der Gemeinde zeigen. Viele beklagen die Institution Kirche, die ein Eigenleben unter ihresgleichen darstellt.
  80. Mehr offenen Dialog mit den eigenen Glaubensbrüdern, nicht nur mit den Andersgläubigen
  81. Christliche Werte offensiv vermitteln
  82. Auf die Menschen zugehen
  83. Predigten müssen kurz und prägnant sein und der Lebenswirklichkeit der Zuhörer entsprechen.
  84. Mut zur lauten Stimme: Gesellschaftskritik nicht nur bei Sonntagsreden oder zum 1. Mai, sondern deutliche Kritik, z. B. an der Rentenpolitik
  85. Stellung beziehen und christliche Werte lautstark vermitteln
  86. Mut zur Veränderung wagen, Aufruf zur inneren Mission
  87. Mehr Seelsorge und weniger Verwaltung, Abbau der innerkirchlichen Hierarchien (z. B. Regionalbischof, Seelsorger als „Fundraiser“, Kunst- und Kulturbeauftragte)
  88. Freiere Form der Liturgie und des Gottesdienstes: Stichwort Thomas Messen