Geburt(swehen) einer Partnerschaft - eine Segensgeschichte mit Überraschungen
Es war im Januar 2010. Wie schon des Öfteren bin ich wieder einmal mit einer Gruppe im Kilimandscharogebiet unterwegs. Wir besuchen Kirchengemeinden, mit denen wir seit ca. 30 Jahren durch partnerschaftliche Beziehungen zwischen dem Dekanatsbezirk Rothenburg und dem Dekanatsbezirk Hai verbunden sind. Bei den Begegnungen und Gesprächen werden wir immer wieder mit einem Thema konfrontiert, das mir seit Jahren vertraut ist. Es ist die Not der vielen Waisenkinder, die auf Hilfe angewiesen sind. (Aids!)
Wir sind im Gästehaus der Kirchengemeinde Nkweseku einquartiert, wo wir am 10. Januar vom Pfarrer Aminirabi Swai verabschiedet werden. Im Stillen rechne ich damit, dass es für mich im 77sten Lebensjahr wohl der letzte Abschied vom Kilimandscharo mit seinen gastfreundlichen und liebenswürdigen Menschen sein würde. Spontan erinnere ich mich an den Propheten Elia, der vor seiner Himmelfahrt seinen Mantel seinem Schüler Elisa überreicht. Einen Mantel habe ich nicht dabei, aber eine schwarze Jacke. Ich übergebe sie Aminirabi Swai mit dem Hinweis – halb im Spaß, halb im Ernst -, dass sie ihn immer wieder für die weitere Pflege der Partnerschaft erwärmen möge.
1. Überraschung:
Nach meiner Rückkehr aus Tansania finde ich einen Brief von unserer Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greiner auf meinem Schreibtisch. Inhalt: Segenswünsche zu meinem 50-jährigen Ordinationsjubiläum am 10. Januar. Ich hatte es in Afrika schlichtweg vergessen. Ordination und Mantelübergabe in Nkweseku erinnern mich nun daran, dass Gott über Bitten und Verstehen zu segnen vermag, dass wir Segen empfangen und Segen weitergeben können. Dafür haben afrikanische Christen ein ausgeprägtes Gespür. Beim Abschied pflegen sie oft zu sagen: „Mungu akubariki“! Der Herr segne dich! Wenn sie im Gottesdienst mit Hingabe ihre Choräle anstimmen, beginnt man etwas von der tiefen Weisheit zu ahnen: „Die Gesegneten singen wie die Vögel auch in den Käfigen des Leides“. In der Massaisteppe habe ich es immer wieder staunend erlebt, wie sich Kinder herzudrängen, um sich mit Auflegen der Hände segnen zu lassen. Die partnerschaftlichen Begegnungen haben mir in all den Jahren deutlich gemacht, wie sie gegenseitig bereichern und Segen stiften. Nun – der Mensch denkt und Gott lenkt.
2. Überraschung:
Wenige Wochen später klingelt das Telefon. Heinz Haag, der ehemalige Dekan von Muggendorf, berichtet von einer älteren Frau aus Kitzingen, die kürzlich in das Alten- und Pflegeheim umgezogen ist. Sie ist dabei, ihren Nachlass zu ordnen und möchte unbedingt etwas für Waisenkinder in Afrika tun. Es geht darum, ob ich in dieser Sache weiterhelfen könnte. Natürlich bin ich dazu gerne bereit. Alles Weitere soll am besten in einem persönlichen Gespräch mit dieser Frau erfolgen.
3. Überraschung:
Der Besuch im Altenheim beschert ein unvergessliches Erlebnis. Als ich die Zimmertüre aufmache, traue ich meinen Augen nicht. Ich sehe eine alte Bekannte namens Frieda Gerbig. Wir kennen uns seit meiner Tätigkeit in Alexandersbad. Bei den Freizeiten für Landfrauen waren regelmäßig Teilnehmerinnen aus dem Umland von Kitzingen – unter ihnen immer Frau Frieda Gerbig, die als Sekretärin am dortigen Landwirtschaftsamt tätig gewesen ist. Sie erzählt beglückt von den Tagen in Alexandersbad und lässt sich dann über die Probleme der Waisenkinder in unserem Partnerdekanat informieren. Zum Abschied übergibt sie mir einen Briefumschlag mit der Aufschrift: „Aussaat für Waisenkinder“. Inhalt: Ein Scheck über 17.000 €.
4. Überraschung:
In den nächsten Tagen überlege ich, wo im Kilimandscharogebiet wohl der beste Boden für diese „Aussaat“ sein könnte. Meine Gedanken gehen immer wieder zu meinem alten Freund Pfarrer Kimaro von Sawe. Er ist stellvertretender Dekan gewesen, hatte selbst 11 Kinder und träumte davon, für seine vielen Waisenkinder noch mehr tun zu können. Es war ihm bei Lebzeiten nicht mehr möglich.
Ich erinnere mich an seinen Sohn Emmanuel Kimaro, den ich als Mitarbeiter im Kirchenbüro der Norddiözese in Moshi schon lange als hilfreichen und verlässlichen Ansprechpartner kannte. Ihn bitte ich, mit dem Kirchenvorstand in Sawe zu klären, ob sich dort gegebenenfalls ein kleines Projekt realisieren ließe, das Waisenkindern eine bescheidene handwerkliche Grundausbildung vermitteln könnte.
Nach 2 Monaten erhalte ich einen dicken Umschlag. Inhalt: Exakte Pläne für eine Schreiner- und Schneider/Schneiderinnenwerkstatt mit einem detaillierten Kostenvoranschlag. Gesamtsumme ca. 150.000 €. Der beauftragte Architekt, der aus Sawe stammt, erklärt sich spontan bereit, alle Architektenleistungen zum Nulltarif zu erbringen.
5. Überraschung:
Es ist mir bewusst, dass die gesamte Summe unsere Möglichkeiten weit übersteigt. Nach längerem Überlegen bin ich entschlossen, dies der Gemeinde Sawe mitzuteilen. Da bekomme ich völlig unerwartet und ganz unabhängig voneinander Anrufe von ein paar alten Freunden. Fritz Uhl aus Rothenburg informiert mich über seine Stiftung für Waisenkinder. Hannes Centmayer und Karl Schmidt feiern demnächst runde Geburtstage, verzichten auf Geschenke und wollen stattdessen Spenden für Bedürftige in Tansania sammeln. Alles in allem ergibt sich schließlich eine Finanzierungsgrundlage von ca. 50.000 €. Das ist ein Betrag, der auf alle Fälle einen sinnvollen Bauabschnitt ermöglichen könnte.
6. Überraschung:
Als Nachfolger von Dekan Mushi wird Aminirabi Swai, bisher Pfarrer in Nkweseku, neuer Dekan für den Distrikt Hai/Ost, zu dem auch die Berggemeinde Sawe gehört. Im März 2012 kommt er mit seiner Frau Neema für 2 Wochen zu einem Antrittsbesuch nach Rothenburg. Mein Versuch, die afrikanischen Gäste während dieser Zeit für einen Tag nach Muggendorf zu bringen, scheitert an Terminschwierigkeiten. Im Kontakt mit dem Missionswerk Neuendettelsau gelingt es wider Erwarten, für Aminirabi Swai und seine Frau den Aufenthalt in Deutschland um eine Woche zu verlängern. Die beiden sind sehr erfreut und dankbar, dass es ihnen deshalb möglich ist, diese Woche als unsere Gäste in der Fränkischen Schweiz zu verbringen.
Mit Dekan Günther Werner und den alten Tansaniafreunden im Dekanatsbezirk ergeben sich so sehr hilfreiche und weiterführende Gespräche in Sachen Partnerschaft. Ich habe Gelegenheit, mit Dekan Aminirabi Swai in Ruhe über das geplante Projekt in Sawe zu sprechen. Nach sorgfältiger Prüfung der vorhandenen Unterlagen sichert er seine volle Unterstützung zu. Von afrikanischer Seite sind damit optimale Voraussetzungen für Baubeginn und Bauüberwachung gegeben.
Unter Federführung von Dekan Günther Werner kommt es in der Folgezeit bezüglich des Sawe-Projekts zu klärenden Gesprächen mit zuständigen Vertretern des Missionswerks aus Neuendettelsau (u.a. Pfr. Christoph von Seggern) und dem Dekanatsausschuss Forchheim. Ergebnis: Es wird einem offiziellen Partnerschaftsvertrag zwischen dem Dekanatsbezirk Forchheim und dem Dekanatsbezirk Hai/Ost zugestimmt. Schwerpunkt des Vertrags ist die Förderung des Sawe-Projekts.
Eine hervorragende Rolle spielt dabei von Anfang an das Ehepaar Pfarrerin Renate und Dr. Wolfgang Topf (Mitglied des Dekanatsausschusses und des Kirchenvorstandes der Christuskirche in Forchheim). Sie organisieren seit Jahren in enger Zusammenarbeit mit der Norddiözese der ELCT und des Dekanatsbezirks Hai/Ost Gruppenreisen ins Kilimandscharogebiet, die dem Kennenlernen der kirchlichen Arbeit und der Unterstützung von kirchlichen Entwicklungsprojekten dienen. Über ihre Aktivitäten und Erfahrungen in diesem Bereich informiert ein eigener Beitrag.
Ein afrikanisches Sprichwort lautet: „Eine Hand kann kein Bündel schnüren“.
Viele Hände haben geholfen, das Bündel „Sawe-Projekt“ zu schnüren. Es ist mit einer Segensgeschichte verbunden. An uns ist es, diese Segensgeschichte weiter zu schreiben. Dekan i.R. Johannes Rau